Es ist etwas Besonderes an den Frauen in Potsdam und in und um Brandenburg. Ist es der Humor und oder die Haltung? Ist es die Preußische Geschichte oder die vielen Seen? Ist es die Mischung aus Grandezza und Sand-Bodenständigkeit? Oder ist es die Abwesenheit einer sonst so prägenden Charaktereigenschaft? Die Frauen, die ich meine sind gänzlich unverzickt.

Die Abwesenheit von Bitchyness umweht einen und man fragt sich, warum nicht gleich und immer und überall so? 

Früher, so sagte meine Großmutter, war man wer, wenn man aus Potsdam kam. 

Vor allem die Potsdamer Künstlerinnen sind wer. Versammelt man dann auch noch 13 von ihnen in einer Ausstellung, die sich vielleicht mit etwas Understatement: „Bisschen“ nennt, und nicht weniger als 13 gestandene, in Potsdam ansässige Kreative vereint, dann hat man schon mal was. Da hat man dann Malerinnen, Zeichnerinnen, Weberinnen, Skulpturen und Assemblagen, Performance Art und eine sehr anregende Gesellschaft obendrein.

 

Die weibliche und sich als weiblich definierende Eigenart des Ein- bisschen -von -Allem -und -Allen und ganz viel nebenher wird man sehen am Tag der Eröffnung. Denn würde man mehr, als ein Bisschen zeigen wollen von den 13 ausstellenden Künstlerinnen, dann könnte man damit wohl die Hallen des BERs füllen. Die Malereien und Druckgrafiken, Teppiche und Zeichnungen, Assemblagen, Papercuts und Filzarbeiten, abgerundet mit Performance Art und mit ihnen das Potsdamer Kreativkollektiv zeigen so ziemlich alles, was man sich in Sachen Kunst so ansehen kann. 

Warum ein „Bisschen“? Fragt man Frauen aus welchen Elementen sich ihr Tagesablauf zusammensetzt, wird man schnell dieses indeklinable Indefinitpronomen in der Aufzählung hören. Das bisschen dies, ein bisschen das, bisschen viel von jenem, aber du liebes bisschen, war das vielleicht ein bisschen viel wieder?

Die Kunst duldet dieses Wort eigentlich nicht, denn sie verlangt Ganzheit und Ausschließlichkeit, will man den Kunstmarkt entern und in ihm erfolgreich oben mitschwimmen. In uns hat sich ein Bild etabliert eines zutiefst selbstzentrierten Künstlers, der sich extrovertiert und/oder introvertiert um sich und das eigene Kreativ dreht, und so einen eigenen Kosmos schafft, in dem er die Sonne, der Mond und die Sterne ist. Der sein eigens Kunstnarrativ schafft und der Rest folgt diesem. Frauen haben es in der Kunst in der Regel ein bisschen schwerer, denn sie sind nicht die soliden „Aktien“, in die der Markt investieren mag. Frauen machen nebenbei immer auch noch Anderes; Mutter werden, Beziehungen leben, die Familie versorgen, Freundschaften pflegen, sich sozial und ehrenamtlich engagieren. Geld verdienen mit soliden, manchmal mit Kunst verwandten Berufen, steht auch auf der Agenda von vielen Künstlerinnen, denn selten gehören sie in der Kunst zu den Spitzenverdienerinnen.  Frauen die Ausschließlichkeit leben, radikal in die Kunst abtauchen und sich ihr ganz und gar verschreiben sind selten. Vielleicht finden nur wenige Frauen in dieser Art Kunst zu machen Erfüllung? Vielleicht ist es organisatorisch nicht möglich? Vielleicht winkt zu wenig Ruhm und Ehre am Ende der Fahnenstange, gibt man den männlichen Kollegen für gleiche künstlerische Leistungen doch tatsächlich und erwiesenermaßen häufiger und faktisch mehr Lorbeeren. Auch monetär lohnt es sich selten, wobei sich wohl ein gewisser Kreis schließt. Frau hat die Fähigkeit sich auf viele Dinge gleichzeitig zu konzentrieren, im Alltag generiert sie sich damit allerdings oft eine Situation des Schuldigfühlens, hat sie zwar unendlich viele Dinge getan, erledigt, weggeschafft und an fast alles gedacht, am Ende eines langen Tages fühlt es sich aber so an, als hätte man nichts davon richtig gemacht. Wenige Frauen- und es ist ein unerlässliches Talent, eine absolute Notwendigkeit, will man als Kunstmachender ernst genommen werden- können dem eigenen Tun (deshalb?) diese Gewichtigkeit geben, die es verdienen würde und die es bräuchte. Wäre es anders, würde längst Kinder- und Haushaltsversorgung ein eigenständiger Beruf sein mit eigener Gewerkschaft und Tariflöhnen. Die Geburt wäre ein biblischer Schaffensakt und würde mit Pomp und Gloria eigene Feiertage erhalten. Gott hätte eine Göttin an seiner Seite und Pflegeberufe wären besser bezahlt als Managerposten bei BMW. Die Menstruation wäre ein eigenes Feld in der Wissenschaft und in ihre Erforschung und in die Behandlung der unangenehmen Begleiterscheinungen würden Milliarden fließen. Und der Kunst-Markt würde mindestens zu gleichen Teilen von Kunst aus Frauenhand bestimmt werden. Die neue Nationalgalerie würde eine Ausstellung von FRAU RICHTER und ihre 200 wichtigsten Bilder zeigen, man müsste nicht erstmal überlegen, um wenigsten einen größeren Namen nennen zu können, von einer Künstlerin, deren Bilder Rekordsummen erzielten bei Auktionen. 

Herr Baselitz dürfte nicht ungestraft behaupten, dass Frauen (leider) nicht malen können und ein Anselm Kiefer dürfte NICHT von sich selbst sagen, talentlos zu sein, ohne zu riskieren, dass bei der nächsten Auktion vielleicht nicht wieder eine Rekordsumme erzielt werden würde, mit einem seiner Bilder. Ein Herr Balkenhol würde sehr streng gefragt werden, wie er es mit mittlerweile sechs oder acht Kindern schafft, Schnitzen von Holzfiguren mit der Erziehungsarbeit von Kindern in Einklang zu bringen.  

 

Nun sind da 13 weibliche Menschen -ich glaube alle definieren sich auch als Frau-, die sich unter dem Namen: „Bisschen“ vereinigt haben, die sehr wohl etablierte Personen im Kreativschaffen sind, und das Wort gerät zur Ironie, denn keine der Anwesenden und Ausstellenden macht irgendetwas nur „ein bisschen“.  

So wird man sich einigen können, dass es sich nicht um ein bisschen Kunst handelt, sondern eben nur um ein bisschen von der Kunst von jeder der Kunstschaffenden. Vielleicht wird man sich beim Betrachten ein bisschen wundern oder ein bisschen stauen über so viel Kreativkraft, die in so einer kleinen Stadt wie Potsdam, im Schlagschatten der Kunstmetropole Berlin, wohnt. Aber grade in letzter Zeit erblüht die Kunstszene in Potsdam und voran auch die Frauen in der Kunst machen von sich Reden. So entwickelt sich vielleicht Potsdam ein bisschen zur Hauptstadt des „Female Gaze“ in Brandenburg und macht den Weg frei für den längst überfälligen Ausgleichs des Gender-Pay-Gaps in der Kunst. Ein bisschen gebe ich die Hoffnung nicht auf. 

 

Florentine Joop